Wahrscheinliche Szenarien für die Zinsentwicklung bis 2025
Am 17. Oktober 2024 senkte die Europäische Zentralbank (EZB) zum dritten Mal in diesem Jahr die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte. Normalerweise bewirken solche Zinssenkungen, dass Kredite günstiger werden. Doch aufgrund der aktuellen inversen Zinskurve ist die Lage komplexer.
In diesem Artikel werden die Folgen der EZB-Zinssenkung auf Bau- und Immobilienfinanzierungen beleuchtet, sowie ein Ausblick auf die zukünftige Zinsentwicklung gegeben.
Inhaltsverzeichnis
- Zinsentwicklung der letzten Jahre.
- Der Leitzins erklärt.
- Die nächsten Sitzungen der EZB.
- Der Einfluss auf die Konjunktur.
- Die Auswirkungen auf die Inflation.
- Wie profitieren Erstkäufer und Bauherren von der Zinssenkung?
- Aktuelle Entwicklung bestehender Immobilienfinanzierungen.
- Was kommt nach der Zinssenkung?
Das wichtigste zusammengefasst
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Die Zinssätze für langfristige Festzinsbindungen sind bereits vor den Zinssenkungen der EZB gefallen, da Banken und Marktteilnehmer diese Entwicklung schon länger erwartet und in ihre Berechnungen einbezogen haben. Deshalb sind die Zinssätze für neue Wohnbaufinanzierungen mit Festzins nach der jüngsten EZB-Leitzinssenkung weitgehend stabil geblieben.
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Bei variablen Wohnbaufinanzierungen werden die Zinssätze in der Regel erst zeitverzögert angepasst – meistens zum nächsten Anpassungstermin, der bei Banken oft alle drei Monate und bei Bausparkassen alle zwölf Monate liegt.
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Zukünftige Entscheidungen des EZB-Rates über Leitzinsänderungen werden vor allem von der Inflationsentwicklung abhängen. Derzeit sind Kredite mit festem Zinssatz weiterhin deutlich günstiger als variable und bieten mehr Planungssicherheit.
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Viele Fachleute gehen davon aus, dass die EZB im laufenden Jahr die Leitzinsen leicht weiter senken wird.
1. Was ist in den letzten Jahren passiert?
In der Zeitspanne vom 21. Juli 2022 bis zum 14. September 2023 erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) ihre drei Leitzinsen in insgesamt 10 Schritten um 4,5 Prozentpunkte. Nach diesen Anhebungen entschied sich der EZB-Rat in den darauffolgenden fünf Sitzungen, die Zinsen unverändert zu lassen, wobei in den Pressemitteilungen stets auf den datenabhängigen Ansatz der Entscheidungen hingewiesen wurde.
Mit zunehmender Zeit ohne weitere Zinserhöhungen rechneten Marktteilnehmer vermehrt mit Zinssenkungen, was sich in sinkenden Geldmarktzinsen widerspiegelte. Seit Herbst 2023 sanken diese ähnlich stark wie die EZB-Leitzinsen im Juni, September und Oktober 2024, die um insgesamt rund 0,75 Prozentpunkte gesenkt wurden. Derzeit liegen die Leitzinsen bei 3,40 % für den Hauptrefinanzierungssatz, 3,65 % für den Spitzenrefinanzierungssatz und 3,25 % für die Einlagefazilität.
2. Der Leitzins erklärt.
Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem Banken bei der Zentralbank Kredite aufnehmen oder Gelder anlegen können. Die Zentralbank legt diesen Zinssatz fest und nutzt ihn, um die Wirtschaftslage, Inflation und Währungswert zu steuern. Er ist ein wesentliches Instrument der Geldpolitik. In der Eurozone legt die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins fest.
Der Leitzins wird von Zentralbanken, wie der Europäischen Zentralbank (EZB) oder der US-Notenbank Fed, eigenständig festgelegt. Diese Entscheidung trifft ein zuständiges Gremium, bei der EZB beispielsweise der EZB-Rat. Die Höhe des Leitzinses wird verwendet, um bestimmte wirtschaftliche Ziele zu erreichen, wie etwa die Förderung des wirtschaftlichen Wachstums oder die Sicherstellung von Preisstabilität. Die Anpassungen des Leitzinses werden zu festgelegten Zeitpunkten öffentlich bekannt gegeben.
Es kann jedoch auch zu Anpassungen außerhalb der regulären Termine kommen. Während in den Jahren 2022, 2023 und bis Juni 2024 keine solchen außerplanmäßigen Änderungen stattfanden, gab es während der Corona-Krise in den USA eine Ausnahme: Am 3. März 2020 senkte die Fed den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte, und am 15. März 2020 folgte eine weitere Senkung um einen Prozentpunkt. Diese außerplanmäßigen Zinssenkungen waren als „Notfallszinssenkungen“ gedacht, um den wirtschaftlichen Rückgang durch die Pandemie abzufedern und die Konjunktur zu unterstützen.
3. Die nächsten Sitzungen des EZB-Rats zur Festlegung des Leitzinses finden an folgenden Terminen statt:
- 17. Oktober 2024
- 12. Dezember 2024
- 30. Januar 2025
- März 2025
- April 2025
- Juni 2025
- 24. Juli 2025
- 11. September 2025
- 30. Oktober 2025
- 18. Dezember 2025
Diese Termine markieren die Momente, an denen der EZB-Rat seine Entscheidungen über die Zinspolitik treffen wird. Falls Sie schnell auf Änderungen des Leitzinses reagieren möchten, sollten Sie die Veröffentlichungen der EZB im Blick behalten. Für diejenigen, die Anlage- oder Kreditentscheidungen planen, kann es ratsam sein, diese in Nähe der genannten Termine zu treffen. Die aktuellen Sitzungstermine finden Sie auch direkt auf der Website der Europäischen Zentralbank.
4. Der Einfluss auf die Konjunktur
Der Leitzins wirkt direkt auf die Wirtschaft: Niedrige Zinsen ermöglichen es Banken, kostengünstig Geld bei der EZB zu leihen, was zu einem insgesamt größeren Geldangebot führt. Das hat zur Folge, dass Kredite günstiger werden und Unternehmen eher bereit sind, zu investieren.
Auf der anderen Seite wird das Sparen weniger attraktiv, sodass Konsumenten ihr Geld eher ausgeben. Dies kurbelt die Wirtschaft an und führt zu einer besseren Konjunktur. Bei hohen Zinsen verläuft der Prozess jedoch umgekehrt und bremst die Wirtschaft.
Zusätzlich haben die Zinssätze der Zentralbank eine bedeutende psychologische Wirkung: Eine Zinssenkung signalisiert den Finanzmärkten, dass die Zentralbank bereit ist, die Wirtschaft zu unterstützen, was oft zu steigenden Börsenkursen führt.
5. Die Auswirkungen auf die Inflation
Der Leitzins beeinflusst auch das allgemeine Preisniveau, also die Inflation. Niedrige Zinsen führen dazu, dass Banken mehr Geld bei der EZB aufnehmen und mehr Geld im Umlauf ist. Das kann den Wert des Geldes verringern und die Preise in die Höhe treiben, wodurch die Inflation steigt.
Um einer zu hohen Inflation entgegenzuwirken, kann die Zentralbank die Zinsen erhöhen, um die Wirtschaft zu dämpfen und die Preise zu stabilisieren. Dies kann jedoch Auswirkungen auf den Export und den Wechselkurs haben.
Ein Beispiel: Bei niedrigen EZB-Zinsen wird der Euro für ausländische Investoren weniger attraktiv, wodurch sein Wert sinkt. Gleichzeitig werden Produkte aus der Eurozone günstiger, was die Exportnachfrage steigert.
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6. Wie profitieren Erstkäufer und Bauherren von der Zinssenkung?
Die erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Jahr 2024 bringt für Erstkäufer einige Vorteile, insbesondere durch reduzierte Finanzierungskosten. Die Senkung des 3-Monats- und 12-Monats-Euribor hat zu einer Verringerung der variabel verzinsten Immobilienkredite geführt, die um bis zu 1,0 Prozentpunkte gesenkt wurden.
Zum Beispiel hat sich bei einer Kreditsumme von 299.000 Euro und einer Laufzeit von 30 Jahren der Zinssatz (variabel, Nominalzinssatz, basierend auf dem 3-Monats-Euribor) seit dem Höchststand im Herbst 2023 von 5,25 % auf 4,25 % p.a. im Oktober 2024 verringert. Dies führt zu einer monatlichen Rate, die um mehr als 100 Euro auf 1.540 Euro sinkt. Diese Entwicklung steigert die Kaufkraft und verbessert die Verfügbarkeit von Krediten. Hätte die Zinssenkung nicht wie erwartet stattgefunden, wären die 3- und 12-Monats-Euribor-Kurse vermutlich wieder gestiegen.
7. Aktuelle Entwicklung bestehender Immobilienfinanzierungen.
Mit der dritten Leitzinssenkung im Jahr 2024, die der EZB-Rat am 17. Oktober 2024 beschlossen hat und die ab dem 23. Oktober 2024 in Kraft tritt, ergeben sich im Neugeschäft momentan nur marginale Vergünstigungen für variabel verzinste Kredite. Die aktuelle Marktzinsstruktur (inverse Zinskurve) bietet jedoch interessante Möglichkeiten:
Umschuldungsoptionen: Üblicherweise sind langfristige Fixzinsbindungen teurer als variable Finanzierungen. Sollten die Leitzinsen weiterhin hoch bleiben, könnte eine Normalisierung der Zinskurve einen Anstieg der Zinsen im langfristigen Bereich zur Folge haben. Gegenwärtig kann es vorteilhaft sein, variabel verzinste Kredite in langfristige Fixzinsbindungen umzuschulden. Der Zinsvorteil von etwa 0,75 bis 1,0 Prozentpunkten für 20-jährige Fixzinsbindungen stellt eine besondere Gelegenheit dar. Falls Sie in naher Zukunft mit deutlichen weiteren Leitzinssenkungen rechnen, könnte es jedoch ratsam sein, mit der Umschuldung zu warten.
Vor- und Nachteile von Fixzinsbindungen im aktuellen Zinsumfeld: Fixzinsbindungen ermöglichen planbare Kreditraten. Bei neuen Verträgen sind diese derzeit sogar günstiger als variable Kredite. Sinkt das allgemeine Zinsniveau weiter, bleibt der Zinssatz für die vereinbarte Laufzeit unverändert. Zudem sind vorzeitige Sondertilgungen über 10.000 Euro pro Jahr gegen eine maximale Pönale von 1 % möglich. Bis zu einem Betrag von 10.000 Euro sind zusätzliche Rückzahlungen oft sogar ohne Pönale zulässig.
Einfluss auf variabel verzinste Wohnbaukredite: Die Zinssätze für Kredite fallen nicht sofort nach der Zinssenkung. Der Kreditvertrag legt fest, wann eine Zinssenkung bei der Immobilienfinanzierung wirksam wird, üblicherweise zu den vertraglich definierten Zinsanpassungsterminen. Bei fixen Wohnbaukrediten bleiben die Konditionen unverändert.
8. Was kommt nach der Zinssenkung?
Die zukünftige Entwicklung der Leitzinsen bleibt zunächst ungewiss. Verschiedene wirtschaftliche Indikatoren, wie Inflation, Arbeitsmarktdaten und Wirtschaftswachstum, sowie politische Entscheidungen haben Einfluss auf die künftigen Entscheidungen bezüglich der Leitzinsen. Das größte Risiko stellt die Lohninflation dar. In letzter Zeit sind die Preise für Dienstleistungen und die Stundenlöhne deutlich gestiegen, was gegen weitere Zinssenkungen spricht.
Die Inflation im Euroraum stieg von 2,4 % im März und April auf 2,6 % im Mai 2024, bevor sie bis September auf 1,8 % zurückging. Die Europäische Zentralbank (EZB) beobachtet aufmerksam die Möglichkeit einer Lohn-Preis-Spirale. Andererseits könnten zusätzliche Leitzinssenkungen die Wirtschaft im Euroraum ankurbeln und die Immobilienpreise in Österreich stabilisieren.
Sollten bis zum ersten Quartal 2025 noch weitere Zinssenkungen erfolgen, könnte dies zu einer Belebung des Wohnungsbaus und einer erhöhten Verfügbarkeit neuer Wohnungen führen. Auch das Thema leistbares Wohnen würde davon profitieren. Die Auswirkungen der Zinssenkungen vom 6. Juni 2024, 12. September 2024 und 17. Oktober 2024 sind bislang eher gering, da die KIM-Verordnung die Vergabe von Wohnbaukrediten bis Juni 2025 einschränkt.
Mittelfristig rechnen die Marktteilnehmer in den USA und Europa mit spürbaren Zinssenkungen. Laut Forward-Kurve könnte der 3-Monats-Euribor bis zum 24. Juli 2025 auf 2,77 % sinken. Dies würde, unter Berücksichtigung der zu erwartenden Leitzinssenkungen ab September 2024, auf ein Einlagenfazilitätsniveau der EZB von 2,75 % bis 3,00 % und einen Hauptrefinanzierungssatz von 2,90 % bis 3,15 % bis Juli 2025 hindeuten (verglichen mit den aktuellen 4,25 %).